Hamburger Diakoniechef: Inklusion statt Integration

Tobias Woydack, Vorstand der Diakonie Hamburg

Thema der Jahreskonferenz des Diakonischen Werkes der Evangelisch-reformierten Kirche war in diesem Jahr die Vielfalt unserer Gesellschaft und die Integration. Die Tagung stand unter der biblischen Überschrift „Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid...“ (Matthäus 11, 28). Dazu kamen am Samstag, 20. Oktober, etwa 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Kirchengemeinden und diakonischen Einrichtungen in die Reformierte Kirche nach Hamburg.


Der Vorstand des Diakonischen Werks Hamburg, Tobias Woydack, hat für einen Paradigmenwechsel in der Arbeit mit Flüchtlingen plädiert. Angesichts einer von Vielfalt geprägten Gesellschaft müsste viel eher von Inklusion als von Integration gesprochen werden. Woydack sprach am Samstag, 20. Oktober 2018, in Hamburg bei der Jahreskonferenz des Diakonischen Werkes der Evangelisch-reformierten Kirche. Die Tagung stand unter der Überschrift „Integration – Umgang mit Vielfalt“. Dazu waren 120 Haupt- und Ehrenamtliche aus dem ganzen Bundesgebiet in die Hamburger Reformierte Kirche in der Ferdinandstraße gekommen.

Woydack sagte, der Begriff der Integration gehe davon aus, dass es eine Norm gebe, an die sich „die zu Integrierenden“ anpassen müssten. Erst dann seien sie vollgültige Mitglieder der Gesellschaft. Um sie in diesen Stand zu setzen, bräuchten sie Sprache, Bildung und Arbeit. Inklusion hingegen meine, „dass eine Gesellschaft dafür sorgen muss, dass alle Menschen das bekommen, was sie brauchen um wirklich gleichberechtigt mit-leben zu können“.

Eine Integrationspolitik setze viel zu stark an den Defiziten an. Woydack nannte als Beispiel die Schulpolitik. In den 1970er Jahren sei über Integration von „Gastarbeiterkindern“ gesprochen worden, in den 1980ern von „Ausländerkindern“, dicht gefolgt von den „Kindern mit Migrationshintergrund“. Heute sei die Frage, wie die Defizite von „Kindern mit Fluchtgeschichten“ ausgeglichen werden könnten. „Warum diskutieren wir nicht einfach über Kinder?“, fragte Woydack.


„Wenn Sie heute an eine Grundschule etwa im Westen von Berlin gehen, dann springt ihnen die Vielheit ins Auge. Wenn Sie aber an der gleichen Schule ins Lehrerzimmer wechseln, dann ist oft von Vielfalt keine Spur mehr. (…) Es sind aber die Lehrerzimmer, die dieser Tage der Vielheit der Gesellschaft nicht mehr entsprechen, die eine ‘Parallelgesellschaft‘ sind, und daran muss man etwas ändern.“
Migrationsforscher Mark Tessidis, zitiert von Tobias Woydack


Woydack sprach von einer interkulturellen Gesellschaft als Realität. Diese erfordere es „in Behörden, Parlamenten, städtischen Einrichtungen ein repräsentatives Bild der Bevölkerung abzubilden.“ Dies ließe sich nicht sofort umsetzen. Die Demokratie könne aber nur funktionieren, wenn sich alle Bevölkerungsteile angemessen repräsentiert fühlten. Woydack mahnte, dass dieser Anspruch auch für die Kirchen gelte, die auf vielen Ebenen noch ein „closed shop“ seien. Viele Kirchengemeinden hätten zwar Partnerschaften mit Gemeinden in der Fremde. „Aber die Fremden vor Ort tauchen in unseren Gremien und Strukturen sehr selten auf.“

Die Hamburger Staatsrätin für Soziales und Integration, Petra Lotzkat, hob die positive Einstellung der deutschen Bevölkerung hervor. Laut kürzlich veröffentlichtem Integrationsbarometer hätten 82 Prozent der Deutschen eine positive Haltung gegenüber Geflüchteten. Hamburg sei eine Stadt mit jahrzehntelanger Erfahrung mit Integration. Heute hätten 35 Prozent der Einwohner der Stadt einen Migrationshintergrund. „Und die Stadt lebt gut damit“, so Lotzkat. Sie erinnerte an die Selbstverpflichtung der Stadt in ihrer Verfassung. „Sie will im Geiste des Friedens eine Mittlerin zwischen den Erdteilen und Völkern sein.“

Thomas Fender (Pastor für Diakonie und Geschäftsführer des evangelisch-reformierten Diakonischen Werkes), Tobias Woydack (Vorstand der Diakonie Hamburg), Petra Lotzkat (Hamburger Staatsrätin für Soziales und Integration), Martin Heimbucher (Kirchenpräsident der Evangelisch-reformierten Kirche), Bernd Roters (Pastor in Veldhausen, Grafschaft Bentheim, und Vorsitzender der evangelisch-reformierten Diakonie)

Kirchenpräsident Martin Heimbucher forderte angesichts der Empörung, die in der aktuellen Flüchtlingsdebatte laut werde, zum Zuhören auf. Heimbucher sagte: „In unserer Gesellschaft sind zu viele unerhört.“ Es sei nötig die Geschichten der Empörten und Unerhörten zu hören.

Die Diakonische Konferenz der Evangelisch-reformierten Kirche tagt einmal pro Jahr jeweils zu einem Schwerpunktthema. Im vergangenen Jahr stand das Thema des Umgangs mit einer immer älter werdenden Gesellschaft auf der Tagesordnung.

20. Oktober 2018
Ulf Preuß, Pressesprecher


Der Vortrag von Dr. Tobias Woydack zum Nachlesen

Diakonische Konferenz im Gemeindezentrum Ferdinandstraße der Hamburger Gemeinde

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